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Ein intelligenter Beschleuniger für Qubits

[Translate to Deutsch:] Carballido Nature Communications

[Translate to Deutsch:] Using electric fields, the Basel researchers drive qubits made of holes in a nanowire. In doing so, they can adjust the accelerator in such a way that the qubits are simultaneously fast and robust against outside influences (yellow) and are not disturbed by the stronger drive (orange). (Illustration: Miguel J. Carballido | CC BY-NC-ND 4.0)

Forschende der Universität Basel haben ein Quantenbit gleichzeitig schneller und robuster gemacht. Dies könnte in Zukunft zur Entwicklung von Quantencomputern beitragen.

Von Quantencomputern erhofft man sich viel: Sie sollen bestimmte Berechnungen wesentlich schneller durchführen als heutige Supercomputer und dadurch wissenschaftliche wie auch praktische Probleme lösen, die für gewöhnliche Computer unüberwindbar sind. Das Herzstück eines Quantencomputers ist das Quantenbit, kurz Qubit, das auf unterschiedliche Weise realisiert werden kann – zum Beispiel mithilfe der Energieniveaus von Atomen oder der Spins von Elektronen.

Das Qubit-Dilemma

Bei der Herstellung solcher Qubits stehen Forschende jedoch vor einem Dilemma: Einerseits muss ein Qubit so gut wie möglich von seiner Umgebung isoliert sein. Andernfalls zerfallen seine Quantensuperpositionen in kurzer Zeit, und die Quantenberechnungen werden gestört. Andererseits möchte man Qubits möglichst schnell ansteuern – analog zum Takten klassischer Bits –, was jedoch eine starke Wechselwirkung mit der Umgebung erfordert.

Normalerweise lassen sich diese beiden Bedingungen nicht gleichzeitig erfüllen, da eine höhere Ansteuerungsgeschwindigkeit automatisch einen schnelleren Zerfall der Superpositionen und damit eine kürzere Kohärenzzeit nach sich zieht. Ein Team um Professor Dominik Zumbühl an der Universität Basel hat nun jedoch ein Spin-Qubit so eingestellt, dass sowohl seine Geschwindigkeit als auch seine Kohärenzzeit gleichzeitig erhöht werden konnten. Diese Ergebnisse, kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht, könnten auch andere Qubits künftig schneller und robuster machen.

Mit Köpfchen aufs Gaspedal

„Am Anfang fragten wir uns, was passieren würde, wenn wir einfach das Gaspedal unseres Qubits durchtreten – allerdings nicht irgendwie, sondern auf eine clevere Weise“, sagt Dr. Miguel J. Carballido, Erstautor der Studie. Über mehrere Jahre hinweg bauten er und seine Kolleginnen und Kollegen ein winziges Bauelement, bestehend aus einem Draht aus dem Halbleitermaterial Germanium mit nur 20 Nanometern Durchmesser und einer dünnen Siliziumbeschichtung. Daraus entfernten sie ein einzelnes Elektron aus einem niedrigeren oder höheren Energieniveau, wodurch ein „Loch“ entstand. „Dieses Loch verhält sich ähnlich wie eine Luftblase“, erklärt Carballido.

Für ein solches System hatte ein Team theoretischer Physiker um Prof. Dr. Daniel Loss an der Universität Basel bereits vor einigen Jahren einen Mechanismus vorhergesagt, mit dem sich das Unmögliche erreichen ließe: eine schnellere Ansteuerung und gleichzeitig eine längere Kohärenzzeit. „Wir nutzen dafür eine bestimmte Art der Spin-Bahn-Kopplung“, erläutert Carballido. Bei der Spin-Bahn-Kopplung erzeugt ein bewegtes elektrisch geladenes Teilchen – ein Elektron oder ein Loch – ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld „koppelt“ wiederum an den Spin des Teilchens und beeinflusst dessen Energie durch eine magnetische Wechselwirkung. Für Löcher in Festkörpern ist dieser Effekt sehr stark und zudem elektrisch steuerbar.

Die richtige Mischung macht’s

Durch Anlegen einer elektrischen Spannung an den Nanodraht können die Basler Forschenden also beeinflussen, ob das Loch hauptsächlich aus einem niedrigeren oder aus einem höheren Energieniveau stammt – oder aus einer Mischung beider. Diese Mischung hat entscheidenden Einfluss darauf, wie das „Gaspedal“ zur Ansteuerung des Qubits reagiert: Für eine bestimmte Kombination entsteht ein sogenanntes Plateau. Das bedeutet, dass stärkeres „Durchtreten“ des Pedals die Ansteuerung nicht schneller, sondern sogar langsamer macht.

Eine weitere Konsequenz dieses Plateaus ist, dass Fluktuationen – zum Beispiel durch elektrische Felder in der Umgebung – das Qubit wesentlich weniger beeinflussen, als es bei einer herkömmlichen Spin-Bahn-Kopplung der Fall wäre. Dadurch werden die Quantenzustände weniger gestört und die Kohärenzzeit verlängert. „Auf diese Weise konnten wir die Kohärenzzeit unseres Qubits vervierfachen und gleichzeitig die Ansteuerung dreimal schneller machen“, sagt Carballido. Er hebt zudem eine weitere Besonderheit hervor: Anstatt der extrem tiefen Temperaturen von unter 100 Millikelvin, die normalerweise für den Betrieb eines Qubits erforderlich sind, kommt er mit vergleichsweise „warmen“ 1,5 Kelvin aus. „Das erfordert weniger Energie und kommt ohne das seltene Helium-3 aus“, erklärt er.

Vorerst funktioniert der Plateau-Trick nur in den in Basel hergestellten Nanodrähten, in denen sich Löcher nur in einer räumlichen Dimension bewegen können. Zumbühl und seine Mitarbeitenden hoffen jedoch, dass ihre Methode bald auch auf zweidimensionale Halbleiter und andere Arten von Qubits angewendet werden kann. Das wäre ein wichtiger Beitrag zu leistungsfähigeren Quantencomputern.

Diese Forschung ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Universität Basel, dem NCCR SPIN, der University of Oxford und der Technischen Universität Eindhoven.

 

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag im Quantum Insider.

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