/ Forschung / Uni News

«Heisse» Spin-Quantenbits in Siliziumtransistoren

Quantenbits (Qubits) sind die kleinsten Informationseinheiten eines Quantencomputers. Zu den aktuell grössten Herausforderungen bei der Entwicklung eines solch leistungsfähigen Computers zählt die Skalierbarkeit. Einen Durchbruch in diese Richtung hat eine Forschungsgruppe der Universität Basel zusammen mit Kollegen des IBM Forschungslabors in Rüschlikon zu verzeichnen.

Quantencomputer versprechen bisher unerreichte Rechenleistung, allerdings beruhen Prototypen bisher nur auf wenigen Recheneinheiten. Um das Potenzial dieser neuen Computergeneration auszuschöpfen, müsste es gelingen, Qubits in grossem Massstab zusammenzuschliessen.

Dieses Problem der Skalierbarkeit betraf in der Vergangenheit auch klassische Computer und konnte mit auf Siliziumchips integrierten Transistoren gelöst werden. Das Forschungsteam um Dr. Andreas Kuhlmann und Prof. Dr. Dominik Zumbühl von der Universität Basel stellt nun siliziumbasierte Qubits vor, die in ihrer Bauweise einem klassischen Siliziumtransistor sehr ähnlich sind. Ihre Ergebnisse publizieren die Forscher in der Fachzeitschrift «Nature Electronics».

Auf klassischer Siliziumtechnologie aufbauend

Bei klassischen Computern lag die Lösung für das Problem der Skalierbarkeit in Siliziumchips, auf denen man heute Milliarden von sogenannten Fin Feldeffekttransistoren (FinFETs) findet. Diese FinFETs sind klein genug für Quantenanwendungen: Bei sehr niedrigen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (0 Kelvin oder -273,15 Grad Celsius) kann darin ein einzelnes Elektron mit negativer Ladung oder ein sogenanntes Loch mit positiver Ladung als Spin-Qubit fungieren. Ein Spin-Qubit speichert die Quanteninformation in den beiden Zuständen spin-up (Eigendrehimpuls nach oben) und spin-down (Eigendrehimpuls nach unten).

Die von Kuhlmanns Team entwickelten Qubits basieren auf der FinFET Architektur und nutzen Löcher als Spin-Qubit. Im Gegensatz zum Elektronenspin kann der Lochspin in Silizium-Nanostrukturen direkt mit schnellen elektrischen Signalen manipuliert werden.

Höhere Betriebstemperatur möglich

Ein weiteres grosses Hindernis für die Skalierbarkeit war bisher die extrem tiefe Temperatur: Bisherige Qubitsysteme müssen in der Regel bei etwa 0,1 Kelvin betrieben werden. Zur Steuerung jedes Qubits sind zusätzlich Messleitungen nötig, um die Steuerelektronik bei Raumtemperatur mit den Qubits im Kryostaten – einem extrem kalten Kühlgerät – zu verbinden. Die Anzahl dieser Messleitungen ist limitiert, da jeder Draht Wärme produziert. So entsteht zwangsläufig ein Engpass bei der Verkabelung, die wiederum die erwünschte Skalierung begrenzt.

Diesen sogenannten «Wiring Bottleneck» zu umgehen ist eines der Hauptziele der Forscher um Kuhlmann. Dafür müsste die Mess- und Steuerelektronik direkt in den Kühlschrank eingebaut werden. «Die Integration dieser Elektronik fordert allerdings einen Qubit-Betrieb bei Temperaturen über 1 Kelvin, wo die Kühlleistung der Kryostaten stark zunimmt und so die Wärmeabgabe der Kontrollelektronik kompensiert werden kann», erklärt Dr. Leon Camenzind vom Departement Physik der Universität Basel. Doktorand Simon Geyer, der sich mit Camenzind die Erstautorenschaft der Studie teilt, ergänzt: «Wir haben mit unseren Qubits die 4-Kelvin-Marke überwunden und damit den Siedepunkt von flüssigem Helium erreicht. Hier wird die erreichbare Kühlleistung viel grösser, sodass die Integration modernster kryogener Kontrolltechnik möglich ist.»

Nah am Industriestandard

Dass man beim Bau eines Quantencomputers auf bewährte Technologie wie die FinFET-Architektur setzen kann, ebnet den Weg für die Skalierung zu sehr grossen Qubitzahlen. «Mit unserem Ansatz, auf der bestehenden Siliziumtechnologie aufzubauen, sind wir nah an der Industrie», so Kuhlmann. Die Fabrikation der Proben hat im Binnig and Rohrer Nanotechnology Center des IBM Forschungslabors in Rüschlikon stattgefunden, einem Partner des an der Universität Basel beheimateten NCCR SPIN, zu dem das Forschungsteam gehört.